Eine Gartenanlage nach dem Capitulare de Villis Karls des Großen
Die "Verordnung über Land- und Krongüter" Karls des Großen gilt als das älteste schriftliche Dokument mittelalterlicher Gartenkultur. Die im letzten Kapitel der kaiserlichen Verordnung aufgeführte Liste von Nahrungs- und Heilmitteln umfasst Kräuter, Gemüse und Obstgehölze. Diese Aufzählung von Pflanzennamen wird als Markstein des Beginns der westlichen Gartenkultur und Gärtnerei gesehen.
Volumus quod in horto omnes herbas habeant. Id est LILIUM
"Wir wollen, dass man im Garten alle Kräuter habe. Und zwar die Lilie"
so beginnt die in Latein verfasste Liste, die 73 verschiedene im Garten anzubauende Gemüsearten, Heil- und Gewürzkräuter sowie 16 Obst- und Nussbäume nennt. Pflanzen, die für die Herstellung von Textilien verwendet wurden, wie Lein und Flachs, werden in einem früheren Kapitel des Capitulare de Villis genannt. Einheimische Wildpflanzen wie Beeren und Kräuter werden in der Liste nicht aufgeführt. Die einzige erhaltene Abschrift wurde zwischen 825 und 850 niedergeschrieben und wird heute in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfsburg aufbewahrt. Die Urschrift entstand vermutlich nach der Missernte und der darauf folgenden Hungersnot 792/793 und vor dem Aachener Kapitulare Kaiser Karls von 802/803.
In Aachen hat man am Gelände neben dem alten Gutshof Melaten in der Nähe der Uniklink 1999 einen "Karlsgarten" geschaffen, wo alle diese Kulturpflanzen auf einzelnen Beeten untergebracht sind. Im September 2000 wurde der Karlsgarten eröffnet. Der Garten gehört zum "BIOkybernetischen Zentrum AaChen", einer Initiative des Freundeskreises Botanischer Garten e.V. (http://www.biozac.de). Auf dem parkähnlichen Gelände gibt es verschiedene Biotope, unter anderem eine Streuobstwiese und einen Teich mit flacher Uferzone. Der Karlsgarten selbst ist von einer Buchenhecke umgeben und formal gestaltet.
Naturpark unterhalb der Uniklink Aachen |
Iris germanica im Karlsgarten Melaten, Aachen |
Beetanordung im Karlsgarten Melaten, Aachen |
Die Obst- und Nussbäume sind am Rand entlang gepflanzt. Hier gibt es unter anderem den Speierling, die Mispel und den Maulbeerbaum zu sehen.
Blühender Speierling (Sorbus domestica) |
Unreife Früchte der schwarzen Maulbeere (Morus nigra) |
Blüten der Mispel (Mespilus germanica) |
Eine Mispelfrucht wächst heran (Mespilus germanica) |
Viele der Pflanzen wie Hauswurz, Muskatellersalbei, Pastinake, Gartenmelde und Kümmel sind auch heutigen Gärtnern noch oder wieder bekannt.
Dach-Hauswurz (Sempervivum tectorum) |
Muskatellersalbei (Salvia sclarea) |
Gartenmelde (Atriplex hortensis) |
Blühender Kümmel (Carum carvi) |
Aber wo hat man schon die Gelegenheit, die weiße Zaunrübe (Bryonia alba), die Koloquinte (Citrullus kolocynthus), eine wilde Wassermelone oder den Pferde-Eppich (Smyrnium olusatrum) zu sehen? Der Pferde-Eppich wurde früher wie Staudensellerie verwendet, später aber durch diesen völlig verdrängt. Die Zaunrübe und die Koloquinte stehen hier als zwei mögliche Alternativen zu der auf der Liste aufgeführten "Coloquentidas".
Weiße Zaunrübe (Bryonia alba) |
Pferde-Eppich (Smyrnium olusatrum) |
Die komplette Pflanzliste mit detaillierte Informationen zu den einzelnen Pflanzen, den Lageplan und weitere Informationen über den Karlsgarten findet man unter diesem Link:
http://www.biozac.de/biozac/capvil/karl_f.htm
Den Karlsgarten besucht man am besten im Sommer oder frühen Herbst, wenn die Pflanzen zu ihre vollen Größe herangewachsen sind.
Auch der Park außerhalb des eingezäunten Gartens ist sehenswert, hier kann man sich von den konzentrierten botanischen Betrachtungen erholen.
Rasenbank |
Uferzone mit gelben Sumpfschwertlilien |
Zu den Pflanzen des Capitulare de Villis ist ein umfangreiches Werk entstanden - eine wertvolle Fundgrube für alle, die sich mit den botanischen Details, der Archäobotanik, der historischen Nutzung und Bedeutung sowie der heutigen Bedeutung und Verwendung der einzelnen Pflanzen näher beschäftigen wollen:
"Obst, Gemüse und Kräuter Karls des Grossen"
von den Herausgebern Karl Josef Strank und Jutta Meurers-Balke, erschienen 2008 im Verlag Philipp von Zabern.
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