Die
Villa der alten Handschuhfabrik Schmidl in Legau ist gleich zu erkennen – kein
anderes Haus im Ort hat eine in
leuchtendem Türkis gestrichene Fassade. Zu dem heute als “Antikhof
Legau” bekannten Anwesen gehört ein um die 5000 Quadratmeter großes Grundstück,
das die Besitzer im Lauf der letzten 18 Jahre in einen zauberhaften Garten
verwandelt haben. Hier leben Silvia und Robert Kaube-Schramek, inzwischen ist
auch die gemeinsame Tochter Genai mit ihrem Lebensgefährten hierher zurück
gekehrt.
Fünf
Jahre lang suchten die Schrameks nach einem Ort,
der genügend Platz für Sylvias Atelier und Roberts Antiquitätenhandel
bot. 1994 wurden sie in Legau fündig.
Zunächst mußte natürlich Villa renoviert werden, aber schon bald wurde mit Hilfe der Waldjugend eine Hecke aus
heimischen Wildsträuchern und Vogelschutzgehölzen um das Grundstück gepflanzt
und so von den anschließenden landwirtschaftlich genutzen Flächen abgegrenzt.
Inzwischen ist die Hecke hoch gewachsen und bietet nicht nur vielen Vögeln eine
sichere Unterkunft, sondern auch einen guten Windschutz.
Oft
werden Schrameks gefragt, wer ihnen diesen Garten angelegt hat, aber er ist
langsam und in Eigenarbeit gewachsen.“Mit genügend Geld kann man einen Garten
nach Plan anlegen lassen und bis zum Pflanzenkauf und dem Setzen alles
delegieren” meint Robert Schramek, “aber wir mußten sehr darauf schauen, was
finanziell machbar war”.
Aus
dem Grundbedürfnis, es sich schön zu machen, wurde ein Bereich nach dem anderen
“nach Gefühl” gestaltet. Angefangen hat es direkt am Haus, dann wie es Zeit und
Geldbeutel erlaubten immer ein paar Meter weiter.
Silvias
künstlerische Ader kommt in der Gartengestaltung zum Ausdruck, ihre Intuition,
ihr Gefühl für Kunst, für Farben und Energien ist überall spürbar. Auch Roberts
Antiquitätenhandel kam der Sache entgegen: viele eigentlich für den Verkauf
gedachten Stücke wurden gleich in den Garten entführt. Manche Stücke dienen
draußen als Anschauungsmaterial, von anderen wollen sich die Schrameks nun gar
nicht mehr trennen. Die Hollywoodschaukel etwa ist inzwischen so eingewachsen,
dass sie zum festen Inventar gehört.
ZAHLREICHE
RAMBLERROSEN UND VIELE SKULPTUREN SCHAFFEN DIE ATMOSPHÄRE EINES
“MÄRCHENGARTENS”
- da findet man eine badende Nymphe, ein turtelndes Liebespaar,
ein Blumenmädchen, Gnomen, Elfen und Zwerge. Ein Reh und ein Hase vertreten die
steinerne Tierwelt, ein großer “Blumenengel” wacht über den Kräutergarten.
Karakteristisch
für das parkähnliche Gelände sind neben den Sträuchern, Bäumen und Skulpturen
die Mischung aus Kräutern, Blumen, einheimischen Wildpflanzen und Rosen.
Königskerzen,
Lavendel, Storchschnabel, Minzen, Katzenminze, Dalmatiner Salbei, Nachtkerze,
Baldrian, Ysop, Bohnenkraut, Bartnelken, Kornblumen, Sauerampfer, Fingerhut,
Erdbeeren, Frauenmantel, Mohn, Johanniskraut, Knoblauch, Marghariten und viele andere Pflanzen tummeln sich in in
bunten Gesellschaften an verschiedenen Plätzen. “Wir lassen den Garten viel
vorgeben, es geht nicht nach einem vorgegebenen Plan. Meist schauen wir erstmal,
was wo wachsen will – was kommt wo, was ist das?” erklärt Silvia. Diese Art zu
gärtnern macht natürlich mehr Arbeit, denn man kann nicht mal rasch “die Beete
säubern”, sondern muss den Sämlingen Zeit geben, bis man erkennt, was für Pflanzen sich daraus
entwickeln. So entstand aus einem Haufen mit Aushub, den sich wilde Pflanzen
und Sämlinge aus dem Kräutergarten schnell erobert haben, ein wie absichtlich
angelegtes erhöhtes Beet, in das dann noch einige Rosen gesetzt wurden.
Die
sieben Hauskatzen der Schrameks genießen diesen Garten genauso wie die kleine
Heidschnucken Familie, die einen Teil der Rasenfläche kurzhält und Mist für den
Garten liefert, welcher in gut abgelagerter Form im Herbst als Dünger
ausgebracht wird.
Es
ist nicht überall nett und aufgeräumt in diesem naturnahen Garten, eine
“Herbstsäuberung” gibt es auf diesem Gelände nicht, die verwelkten
Pflanzenteile bleiben über den Winter stehen. “Das schützt die Stauden und
dient den Vögeln als Futter” meint Silvia, die erst im Frühjahr die Reste
entfernt. Auch die alten gusseisernern Stühle mit dem Rosenmuster und der
dicken rostigen Patina sind nicht jedermanns Sache – viele würden sie sicher
abschleifen und lackieren wollen, aber bei Schrameks bekommen sie im Frühjahr
statt dessen einen pflegenden Anstrich mit Leinöl.
DIE
ROSEN SIND DIE LEITPFLANZEN
und Silvias ganze Leidenschaft: mehr als 300 Sorten
hegt und pflegt sie inzwischen.
Die
Liste der Sorten liest sich wie das who is who der Rosenzucht. Am wenigsten
vertreten sind dabei die lang blühenden modernen Sorten, die sich hauptsächlich
im “Innengarten” direkt an der Terasse versammeln. Die orange leuchtende
Strauchrose “Westerland”, die
unverwüstliche “Bonica”, “Hildesheim” mit ihren kleinen lachsfarbene Blüten von
Sommer bis November, die fast blaue “Rhapsodie in Blue” und einige mehr
versuchen hier das Herz ihrer Gärtnerin zu gewinnen. Deren Liebe gilt aber mehr
den historischen Rosensorten, den hochrankenden Ramblern und ganz besonders den
anspruchsvollen, als “englische Rosen” bekannten Sorten des berühmten
englischen Züchters David Austin.
Benjamin
Britten, Winchester Cathedral, Brother Cadfael, Spirit of Freedom, Lichfield
Angel, Crocus Rose, The Pilgrim, Young Lucides, Jubilee Celebration und die
einmal blühende, ungefüllte Shropshire Lass sind “englische” Lieblinge, die
Silvia spontan einfallen. Und dann natürlich noch St. Swithum mit ihrem
Myrrheduft, und die wunderschöne Sharifa Asma, und das sind noch lange nicht
alle.
“BEI
DEN ALTEN ROSEN HAT MAN DIE GARANTIE, DASS SIE GUT WACHSEN” erklärt die
Gärtnerin, bei den modernen und den englischen Rosen hat sie die Erfahrung
gemacht, dass es sehr auf die einzelne Pflanze ankommt. Unter den englischen
Sorten sind die am wüchsigsten, die aus direkten Kreuzungen mit alten Rosen
hervorgegangen sind.
Oft
würden sich die üppig wachsenden Containerrosen, die meist im Gewächshaus unter
optimalen, geschützten Bedingungen heranwachsen, im Garten nicht so gut
entwickeln.
Wichtig
bei den anspruchsvollen Sorten sei, ihnen ein großes Pflanzloch mit der besten
Erde herzurichten, damit sie gleich einen guten Start haben. Die besten
Erfahrungen hat Silvia mit direkt beim Züchter bestellter so genannter
“Wurzelware” gemacht.
Die
historischen Rosen kann man hier nicht nur annähernd aufzählen, es sind
Vertreter fast aller Rosenfamilien dabei, Rosa alba, Rosa gallica,
Portlandrosen, Remontantrosen. Der
Höhepunkt im Gartenjahr ist etwa Mitte Juni, wenn die meisten der historischen
Sorten von ihnen blühen einmal im Jahr sehr üppig und mit berauschenden Düften.
AM
BERAUSCHENSTEN IST DER GARTEN ETWA MITTE JUNI, wenn die einmal im Jahr
blühenden alten Rosen und die Rambler ihr Blütenfeuerwerk zünden.
Besondere
Lieblinge der Schrameks unter den romantischen Ramblern sind Maria Lisa, Duke
de Cambridge, die fast sechs Wochen lang blühende Bleu magenta und Felicitée
Perpetue.
Eine
gut gebändigte “Bobby James” erklimmt das Haus – ohne den regelmäßigen
Rückschnitt würde es dieser Kletterkünstler unter den Rosen schaffen, die Villa
in ein undurchdringliches Dornröschenschloß zu verwandeln. Schon mancher, der
diese Rose in seinen Garten holte, hatte hinterher mit ihrer Wuchskraft zu
kämpfen. Mit ihr kann man mühelos ganze Scheunenwände verkleiden, man sollte
sie aber nicht sich selbst überlassen.
Inzwischen
hat Silvia die Kunst nicht nur in den Garten getragen, sondern umgekehrt
liefert dieser wieder Vorlagen für Bilder. Anstatt Gartenszenen zu malen, hält
die Gärtnerin die märchenhaften Stimmungen gerade des abendlichen und
nächtlichen Gartens mit einer einfachen kleinen Digitalkamera fest. Auf
Leinwand gedruckt und auf Holzrahmen gezogen hat sie so surreale, zauberhafte
Bilder geschaffen.
2010
haben Schrameks entschlossen, ihren Garten im Sommer für interessierte Besucher
zu
öffnen. Nach Absprache kann der Garten von
Mitte Juni bis Mitte September besucht werden, auch Gruppen von
Gartenbau- und anderen Vereinen sind mit rechtzeitiger Anmeldung gern willkommen. Eintritt verlangen die
Schrameks bisher nicht, “aber Spenden sind erlaubt” meint Robert Schramek
schmunzelnd.
PFLEGETIPPS
FÜR´S ROSENGLÜCK
Als
wichtigste Pflegemaßnahme sieht Silvia das Mulchen an. Das Bedecken des offenen
Bodens um die Rosen mit Grasschnitt hält die Feuchtigkeit im Boden, die
Bodenstruktur krümelig und durchlässig, liefert Nahrung für das Bodenleben und
wird zu düngendem Kompost abgebaut. Mit jedem Rasenmähen werden wieder einige
Rosen versorgt, so weit der Rasenschnitt eben reicht. Bis die Reihe wieder die
erste Fläche kommt, dauert es etwa vier Wochen, bis dahin ist der Mulch vom
letzten Mal schon fast verschwunden. Etwa fünf bis sieben Zentimeter hoch wird
die Schicht aufgetragen.
Im
Herbst werden die meisten Rosen nur mit gemähten ( zusammengekehrten, mit dem
Rasenmäher zerhäckselten) Blätter eingepackt.
Im
Frühjahr, von Mitte März an, wird das Laub auf die Seite geschoben, Dünger ausgestreut und das Laub wieder
aufgebracht. Bis der Rasenschnitt wieder als Mulch zur Verfügung steht, ist das
meiste schon verrottet, der Rest wird dann in der Hecke verteilt.
Gedüngt
werden die mehrfach- oder dauerblühenden Sorten bis zu dreimal, zwichendurch
bekommen sie noch Brenneselbrühe. Die einmal blühenden alten Rosen brauchen
natürlich weniger “Futter”, sie schießen bei Überernährung auch zu sehr ins
Kraut. Anfang bis Mitte der Saison gibt es eine Gabe Hornspäne für alle,
ansonsten handelsüblichen Rosendünger. Ab Ende Juli wird nicht mehr gedüngt, um
die Holzreife nicht zu verhindern.
RAMBLER ÜBERWINTERN
Die
Triebe der noch jungen Rambler und Kletterrosen werden nach Möglichkeit im
Herbst auf den Boden gelegt und abgedeckt. Bei älteren Ramblern hat Silvia ihre
eigenen Methode entwickelt: statt wie früher die alten Triebe im Herbst abzuschneiden
und die jungen aufzubinden, was in harten Wintern oft zum völligen
zurückfrieren führte, läßt sie die noch weichen jungen Triebe ganz in Ruhe.
Diese senken sich nach unten und sind im Winter meist schneebedeckt und so vorm
Erfrieren geschützt. Erst im Frühjahr, wenn keine harten Fröste mehr zu
erwarten sind, legt sie alle Triebe fächerartig auf dem Boden, sortiert sie
sorgfältig auseinander, schneidet die alten aus und bindet die Jungtriebe
wieder an ihr Gerüst. “Man muss es aushalten, dass die Pflanzen im Herbst und
Winter stakelig wirken” meint sie, eine für sehr ordnungsliebende
Gartenbesitzer sicher schwere Übung. Aber mit dieser Methode spart man sich
umständliches Einwickeln der Rosenbögen und wird mit den dichtesten
Blütenranken belohnt.
“WOHER
NEHMEN SIE DENN DIE ZEIT?” - HÄUFIGE FRAGEN
manche
Fragen müssen die Schrameks ihren Gartenbesuchern immer wieder erklären. Um den Beiden etwas Zeit zu sparen,
beantworten wir für unsere Leser schon mal einige dieser Fragen vorab. Um das
Mulchen, das Düngen und die Überwinterung ging es ja schon weiter oben im Text.
“Oft
fragen mich die Leute bei Führungen, wie wir die Zeit für den Garten haben.
Aber Zeit ist für alle gleich, jeder hat 24 Stunden am Tag - es kommt auf die
Prioritäten an. Wenn man Gartenarbeit als Last sieht, geht es nicht” sagt
Robert Schramek, der seine Freizeit inzwischen auch lieber im Garten werkelnd
verbringt, als sich anderswo Entspannung zu suchen. Wenn man ihn so mit der
Schubkarre durchs Gelände ziehen sieht, wirkt er nicht wie der ausgebildete
Jugend- und Heimerzieher, der schon mit einer Gruppe lernbehinderter
Jugendlicher aus dem Ursberg an den Specialolympics in den USA teilgenommen
hat.
“WAS MACHEN SIE GEGEN BLÄTTLÄUSE?“
„Blattläuse sind der gedeckte Tisch für Vögel, Marienkäfer
und ander Tiere. Wo sie überhand nehmen, schütteln oder streifen wir sie ab“
erklärt Silvia, die dabei dann auch vom faszierenden Lebenszyklus der lebend
gebärenden Insekten zu erzählen weiß. Und dass Ameisen Blattläuse züchten, sei
ein völliger Unsinn. Keine Frage, dass sie auch diesen staatenbildenden kleinen
Tierchen ihr Auskommen im Garten gönnt.
“WIE
IST ES MIT PILZERKRANKUNGEN AN DEN ROSEN?”
Gut
gemulchte, gut ernährte Rosen sind weniger krankheitsanfällig als darbende
Exemplare. Bei geringem Befall werden die befallenen Blätter einfach
abgeschnitten. Eine praktische, weil zeitsparende Erfindung ist dafür eine
Spezialschere mit Klemmfunktion, die abgeschnittene Blätter und Blüten
festhält. So kann man in der anderen Hand einen kleinen Korb oder Eimer halten
und das Schnittgut direkt dort hineinwerfen. Vorzugsweise die englischen Rosen
werden mit Schachtelhalmbrühe gespritzt, bei Mehltaubefall reicht oft schon ein
Durchgang.
Zur
Herstellung der Schachtelhalmbrühe wird ein Topf voll frischer Schachtelhalm
mit Wasser aufgegossen, 24 Stunden stehen gelassen, aufgekocht und zum Spritzen
im Verhältnis eins zu fünf mit Wasser verdünnt. Schachtelhalmpräparate gibt es
auch als Pulver oder flüssig zu kaufen.
“WAS
IST REMONTIEREN?”
Als
remontieren bezeichnet man die Eigenschaft, nach einer Hauptblütezeit später
noch eine Nachblüte zu zeigen. Die vielgestaltige Rosenklasse der
Remontantrosen ist das Bindeglied zwischen den alten und den modernen Rosen.
Viele von ihnen haben noch den kräftigen, überhängenden Wuchs der alten Rosen.
“WAS
IST DER UNTERSCHIED ZWISCHEN RAMBLERN UND KLETTERROSEN?”
Ramblerrosen,
auch als Schlingrosen bezeichnet, sind eine sehr wuchskräftige Rosegruppe, die
mit vielen weichen, langen Trieben aus der Basis heraus wachsen. Was man bei anderen
Rosen als Wildtriebe ausschneiden würde, ist bei den Ramblern die Basis für die
Blütenpracht der nächsten Saison. Sie brauchen viel Platz, um sich auszudehnen,
und klettern gern an Bäumen und in lockeren Sträuchern.
“WIE
SCHNEIDEN SIE IHRE ROSEN?” Die Fragen um den Rosenschnitt sind am besten durch
die Praxis zu erklären. Bei Interesse kann man je nach Jahreszeit einen Termin
für eine “Schnittführung” vereinbaren.
Dieser Artikel ist im Sommerheft 2011 von "Die Allgäuerin" unter dem Titel "Ein Garten für die Seele" erschienen.
Der Garten ist inzwischen Geschichte - auf dem Gelände baut Rapunzel ein neues Firmengebäude. Meine liebe Gartenfreundin Silvia ist Anfang 2020 gestorben.
RIP Gartenfee!